Seit September 2008 gibt es nun ein neues Naturschutzgebiet im Landkreis Nordsachsen, der „Nasswiesenkomplex Döllnitzaue Schweta“. Mit der Ausweisung als Biotop genießen die Nasswiesen nun endlich einen Schutzstatus der ihrer Bedeutung für die Natur und Biodiversität in der Region Rechnung trägt. Dafür musste der Initiator und Projektleiter von der Drachenmühle, Christian Sven Schembritzki und viele engagierte Freunde lange kämpfen.
Als wir, Anna, Christian und Pan, 2003/4 die halbzerfallene und jahrelang leer stehende, kulturhistorische Wassermühle erwarben, begannen wir in Eigeninitiative diesen Ort, den wir „Naturinsel Drachenmühle“ tauften, zu reinigen, ökologisch zu sanieren und zu renaturieren. Wir entsorgten mit tatkräftiger Unterstützung von Helfern und Freunden, so umweltgerecht wie nur möglich, ca. 50 Tonnen Müll, pflanzten etliche Bäume, machten aus Brennnessel- und Moosflächen wieder reichhaltige Süßgraswiesen und überließen die Sauergrasbereiche und Quelltöpfe der Natur. Wie arbeiteten an einem Konzept das sich Permakultur nennt. Ein System, das sich eines Tages mit kleinstmöglichem Aufwand und großmöglichster Biodiversität selbst erhalten kann. Unter anderem wurden wir dafür 2008 von der UNESCO als offizielles Projekt der Weltdekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet. Neben dem Aufbau der kulturhistorischen Wassermühle als offenes Umweltprojekt und alternativen Veranstaltungsort begannen wir uns verantwortungsvoll im Bereich Naturschutz zu engagieren. Denn wir sorgten uns ernsthaft um die Erhaltung bzw. Renaturierung der noch bestehenden benachbarten Nasswiesen Biotope in der Döllnitzaue.
Die Auenlandschaft um die Naturinsel Drachenmühle umfasst mehrere Hektar und ist eingebettet in das von dem europäischen Schutzgebiet „Natura 2000“ als FFH gekennzeichnete Gebiet „Döllnitz und Mutzschner Wasser“. In diesen Gebieten befinden sich die Biotope und stellen nach §26 SächsNatSchG. seggen- und binsenreiche Nasswiesen dar. Nun ist es leider so, dass die Gesetze und Schutzmaßnahmen, in Bezug auf Naturschutz, in der Praxis nicht angewendet und zum Tragen kommen. Die Flächen wurden bis Ende 2008 Jahr für Jahr mehrfach von schwerem Gerät befahren, um sie u.a. zu eggen, zu mähen, zu ernten und zu düngen (z.B. tierische Gülle, chemischer Stickstoff und Kalk) und gegebenenfalls sogar zu walzen. In diesem Fall ist die Bewirtschaftung augenscheinlich eine Flurbereinigung von Sauergraswiesen zum Süßgraswiesengebiet. Die Folgen für das natürliche Leben sind, durch die systematische Vergiftung und Zerstörung der Umwelt und die extreme Verdichtung des Bodens, katastrophal.
Unsere Gesprächsversuche mit dem Ziel einer Sensibilisierung für die Bedeutung der bewirtschafteten Fläche mit der Agrargenossenschaft scheiterten wiederholt.
Selbst die unteren Naturschutzbehörden wollten uns nicht zuhören oder wiesen Nachfragen immer wieder zurück.
Einmal verhinderte Christian gar die Fällung zweier Solitärerlen im Zentrum des besagten Biotops. Aufgrund der verspürten Ohnmacht und nach gründlichem Studium der Sachlage, kamen wir zu dem Schluss, dass wir selbst etwas unternehmen mussten und vor allem auch durften, denn: „Auch ohne Rechtsverordnung oder Einzelanordnung und ohne Eintragung in Verzeichnisse stehen nachfolgende Biotope unter besonderem Schutz: „…seggen- und binsenreiche Nasswiesen…“ (SächsNatSchG §26). So wurde mit dem BUND Sachsen Kontakt aufgenommen, welcher uns ermunterte, an der Sache dranzubleiben und vor allem pragmatische Rückendeckung für friedliche Aktionen gab. Als die Traktoren wieder in das Biotop fuhren, setzte Christian die oben angeführte Passage des Gesetzestextes in die Tat um und hielt die Maschinen unter friedlichem und aufmerksamen Protest auf. Die lokale Presse begann sich näher für die Angelegenheit zu interessieren, hierzu entstand ein Zeitungsartikel in der OAZ : „Schwetaer sieht Döllnitzaue in Gefahr“, wodurch erstmals die Öffentlichkeit unabhängig informiert wurde.
Durch diese Aktion konnte zumindest ein kleines Gebiet vor der Mahd gerettet werden. Mithilfe dieses Areals konnte ein eklatanter positiver Unterschied in der Regenerationsfähigkeit und Üppigkeit im Frühjahr 2008 gegenüber der noch im August gemähten Flächen festgestellt werden. Schon durch eine Mahd weniger hatte sich die Fläche im Gegensatz zur restlichen Sauergraswiese stark verändert und war reicher an Flora und Fauna geworden. Allerdings hatte dies keine längerfristigen positiven Auswirkungen auf das Biotop, denn die Agrargenossenschaft blieb stur und die Flurbereinigung ging unbehelligt weiter.
Wir schmiedeten neue handfeste, aber friedliche Pläne zum Schutz der Biotope.
Um der Trägheit der Behörden zu entgehen, wurde unter anderem in Absprache mit Hans-Udo Weiland (B.U.N.D.) ein Weidenzaun um das besonders schützenswerte Gebiete gepflanzt, um von allen Betroffen ernst genommen zu werden. Trotz vieler Briefe und Vermittlung dritter kamen die Traktoren wieder. Nun sahen sich die Aktiven der Drachenmühle zum zweiten Mal gezwungen, die Maschinen beherzt und entschlossen zum Stehen zu bringen. Zeitgleich wurde die Stadt Mügeln, der Vorstand der Agrargenossenschaft und die „Oschatzer Allgemeine Zeitung“ (2.5.06.2008 „Wir sind doch keine Ochsen“) zu einem unmittelbaren Vorort Termin herbeizitiert. Dies wurde dann das spannungsreichste Jahr unter Einbeziehung etlicher Behörden, Verbände, der Öffentlichkeit und Naturfreunden, mit vielfältiger Öffentlichkeitsarbeit wie eine Pressmitteilung und einen offenen Brief an Herrn Staatsminister Prof. Dr. Wöller, Herrn Landrat Schöpp und Herrn Landrat Czupalla, Herrn Gotthard Deuse (Bürgermeister von Mügeln) und die Mügelner Stadträte. Auch die Umstrukturierung der Landkreise tat wohl sein übliches dran, dass nun die Mühlen doch noch zu mahlen anfingen.
Ihr werdet es nicht glauben: In einem Schreiben teilte das LRA dann (fast schon) überraschend mit, dass das Gebiet schon 1997 durch das Landratsamt Togau-Oschatz als geschütztes Biotop kartiert wurde und es dieser Status, ohne dass er zwischenzeitlich aberkannt wurde, wieder in Kraft gesetzt werden sollte. Trotz Empörung über die jahrelange Missachtung des Schutzstatus war man auf der Drachenmühle froh, dass nun erstmals auch von offizieller Seite eingeräumt wurde, dass es sich um wertvolle Flächen handelte.
Nun schreiben wir das Jahr 2009 und halten die amtlichen Bestätigungen für den Schutz der Biotope und der Naturschutzgerechten Bewirtschaftung in den Händen. Auch wir mussten Kompromisse eingehen. Die Weiden, die nun seit einem Jahr auf der Fläche angewachsen waren, wurden teils entfernt und zwei amtliche Betonsäulen markieren nun die Grenze des Biotops. Die verhärteten Fronten von Agro-Wirtschaft und Umweltschutz scheinen sich hier nun ein Stück aufzulösen.
Mit viel Engagement und hohem Einsatz sowie einem langen Atem und ungewöhnlichen friedlichen Aktionen ist die Döllnitzaue unser unmittelbarer Lebensraum um einige Biotope und FFH-Gebiete reicher geworden. Die Natur hat wieder mehr Raum um sich entfalten und entwickeln zu können.
Wir wollen euch hiermit auch ein wenig anregen, selbst mal bei euch zu schauen, ob es Biotope gibt die durch die Agrarwirtschaft keine Möglichkeit zur Entfaltung bekommen oder gar zerstört werden. Flurbereinigung ist in vielen Regionen im Osten von Deutschland immer noch gängige Praxis. In diesem Falle solltet Ihr eine Wertschätzung / Biotopfeststellung beim Landratsamt beantragen oder Ihr stellt euch selbst vor den Traktor.
Auch der Aufbau des Umweltprojektes ist weiter voran geschritten.
Dieses Jahr wird Pfingsten ein Tag der offenen Tür stattfinden zu dem auch der neue Veranstaltungsraum und sie alte Mühlentechnik begehbar gemacht werden soll. Das Projekt versucht sich zunehmend lokal auf verschiedensten Ebenen zu engagieren.
Das Projekt will zur Diskussion von Perspektiven und Möglichkeiten zur Reanimierung des ländlichen Raums anregen und Ideen vor Ort umsetzen.
Selbstorganisation bietet die Möglichkeit wieder über sein eigenes Leben zu bestimmen und es zu gestalten. Gerade in strukturschwachen Gebieten können Menschen sich so wieder ihrer natürlichen Umgebung annähern, die Ressourcen nachhaltig nutzen lernen und so das Land auch als wertvollen Lebensraum wieder neu entdecken.
Fühlt euch hiermit herzlich eingeladen uns zu besuchen und wir hoffen euch ermutigt zu haben selbst aktiv zu werden.
Christian Sven Schembritzki
Workshops und Seminare sowie allgemeine Infos findet Ihr unter www.drachenmuehle.de