Dienstag, 19. April 2011
Freitag, 15. April 2011
"Der Atem des Drachen"
Vom 10. bis 12. April wurde auf der „Naturinsel Drachenmühle“ in Schweta (Sachsen) erneut ein sogenannter Biomeiler errichtet. Dabei handelt es sich um eine von dem französischen Forstwirt Jean Pain in den 70er Jahren entwickelte Methode zur ökonomischen und ökologischen Verwertung von Holzhäcksel. Damaliges Anliegen war es, mediterrane Wälder als Schutz vor Waldbränden zu entbuschen und wirtschaftlich und nachhaltig zu nutzen.
Der Biomeiler ist eine einfache Anlage zur energetischen Nutzung von Biomasse. Erzeugt werden dabei Wärme und Biogas. Ca. 80 m³ Holzhackschnitzel werden hierfür zu einem über 3 m hohen Haufen aufgeschichtet und anschließend von Mikroorganismen durch aerobe Fermentation (Kompostierung) in einem Zeitraum von 18 bis 24 Monaten - je nach Zusammensetzung des Materials - zu enorm hochwertigem Kompost umgewandelt. Dabei entstehen Temperaturen von ca. 70° C. Im Inneren des Meilers befinden sich Rohrleitungen, die die Funktion eines Wärmetauschers übernehmen. Die Rohre werden je nach Anwendungsfall von Luft oder Wasser durchströmt, so dass die abgeführte Wärme zur Warmwassergewinnung oder Beheizung von Wohn- oder Gewächshäusern genutzt werden kann. Weiterhin ist es möglich, in einem eingelassenem Tank Biogas zu produzieren. Der nach Ablauf des Prozesses entstandene Holzkompost kann dann zur Aufforstung oder für die biologische Landwirtschaft genutzt werden.
Die Anwendung des Biomeilers erfolgt nicht für die industrielle Nutzung, sondern im lokalen und dezentralen Bereich. Er kann mit geringem technischem Aufwand gebaut und verwendet werden, was sicher einen großen Vorteil gegenüber modernen Holzverbrennungsanlagen darstellt. Zudem wird nicht der gesamte Kohlenstoff zu CO2 oxidiert (entstehende Wärme), sondern zum Teil in Form von hochwertigem Humus im Kompost gespeichert. In diesem sind auch alle anderen Nährstoffe des Ausgangsmaterials enthalten. Diese könnten zwar auch nach der Verbrennung in Form von Asche ausgebracht werden, jedoch werden diese dann meist sehr schnell ausgewaschen. Mit dem Kompost als Mulchschicht hingegen entsteht neuer fruchtbarer Boden, in dem Kohlenstoff gespeichert ist. Somit gelangt auch weniger CO2 in die Atmosphäre.
Jeweils 25 Personen aus ganz Deutschland im Alter zwischen 4 und 65 Jahren nahmen an zwei Wochenenden an den Workshops mit dem Titel „Der Atem des Drachen“ teil. Unter ihnen befanden sich unter anderem Schüler und Lehrer der Montessori-Schule Dietramszell, ein Vertreter der Gemeinde Pfinztal vom Fachbereich Umwelt und Garten, ein Student aus Freiburg aus dem Bereich Bodenkunde, ein Architekt und ein Stadtratsmitglied aus Leipzig sowie Studenten der Permakultur Akademie. Für die kulinarische Versorgung der Teilnehmer mit ökologischem und vegetarischem Essen sorgte am zweiten Wochenende der Umwelt- und Friedens-Aktivist Wam Kat.
Unter Leitung von Christian Sven Schembritzki, dessen „Naturinsel“ die UNESCO bereits zum zweiten Mal in Folge als offizielles Projekt zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ deklarierte, wurde der alte Meiler (Biomeiler 1.0) abgebaut und zwei Wochen später ein neuer Biomeiler 2.0 errichtet. „Besonders schön ist bei solch einem Workshop natürlich auch das Gemeinschaftliche, die Dynamik, also eine dynamische Struktur gemeinsam zu entwickeln, in der alle Beteiligten integriert sind!“, so Schembritzki.
Zwei Jahre lang konnte durch den alten Meiler ein Gewächshaus beheizt werden und eine große Badewanne mit 2000 l betrieben werden. Unter dem Motto „Biomeiler 1.0 trifft Permakultur 2.0“ wurde der nun fertige Kompost am ersten Wochenende als Mulchmaterial in 20 cm dicken Schichten auf die Beete sowie unter Sträucher und Bäume des Permakultur-Gartens ausgebracht. Laut Jean Pain wirkt sich dieser auf Grund der enthaltenen Mikroorganismen und Nährstoffe sehr positiv auf Vitalität, Ertrag und Qualität der Gewächse bzw. Früchte aus. Pain beschrieb weiterhin, dass selbst in der regenarmen Provence im Sommer nicht mehr gewässert werden musste.
Am zweiten Wochenende fand die „Aktion Biomeiler 2.0“, nämlich der Aufbau des neuen Meilers, statt. Dies dokumentierte Tom Rüdiger mit seiner Kamera, (bald zu sehen auf der Homepage der „Drachenmühle“ und auf YouTube). Im Unterschied zum ersten Biomeiler ist dieses Mal das 230 m lange Rohrsystem spiralförmig statt zylindrisch verlegt worden. Zusätzlich kam ein perforiertes Rohr zur inneren Bewässerung der Anlage mit warmem Wasser zum Einsatz. Weiterhin wurde ein kleiner Biogas-Tank eingebaut, mit dem Experimente zur Gasproduktion möglich sind.
Aber nicht nur der 80 m³ große Meiler wurde errichtet, sondern auch ein „Terra-Preta“-Versuch im Inneren angelegt: Durch eingebrachte Holzkohlepartikel soll im entstandenen Kompost das Ausspülen von Nährstoffen verhindert und die Bodendurchlüftung sowie die Wasseraufnahmefähigkeit und -speicherkapazität erhöht werden. Weiterhin kann eine bessere Nährstoff- und Mineralienaufnahme durch Pflanzen erfolgen und Mikroorganismen ein perfekter Lebens- und „Rückzugsraum“ gegeben werden.
Verschiedene Messungen sollen im Verlauf der nächsten 2 Jahre genaue Daten über die energetische Ausbeute und den Ablauf der Verrottung liefern.
Da nur sehr wenige Informationen hinsichtlich dieser Technik existieren, dient die experimentelle Anlage in erster Linie zur Sammlung von Erfahrungen und Wissen zu Wirkmechanismen, Aufbau- und Nutzungsmöglichkeiten. So wurde auch eine Probe zur wissenschaftlichen Untersuchung des gereiften Komposts in ein Labor geschickt.
Damit ein Biomeiler wirklich nachhaltig ist und der Kompost hochwertig wird, gilt jedoch auch noch zu beachten, woher das Häckselmaterial stammt. Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern an Rändern der Autobahn oder stark befahrenen Straßen ist ungünstig, da die Schwermetallbelastung hier bedenkliche Ausmaße annimmt. In unseren Breiten macht auch die Verwendung von Unterholz der Wälder keinen Sinn, da hier keine akute Waldbrandgefahr herrscht und auf Grund der wenigen Waldflächen der Lebensraum für viele Tier- und Vogelarten sowieso schon zu knapp ist. Sinnvoll ist dagegen die Nutzung von Gartenschnitt, der in vielen Gemeinden zentral gesammelt und abgefahren wird. Desweiteren sollte dieser möglichst frisch sein und spätestens drei Wochen nach dem Schnitt verwendet werden.
Wer wirklich wissen möchte, wovon hier die Rede ist, der kommt entweder an Pfingsten zur Besichtigung oder meldet sich zu einem der Infotage auf der „Naturinsel Drachenmühle“ an (info(ätt) drachenmuehle.de; Tel.: 0-34362-4439-0; www.drachenmuehle.de).
Weitere Informationen zu den Workshops, Experimenten und den gewonnen Daten sowie regelmäßige Ergänzungen findet man unter: http://biomeiler.blogspot.com/.
Tina Bernecker, Falk Pißler und Christian Sven Schembritzki